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Umgangsrecht in Zeiten von Corona

Umgangsberechtigte Elternteile, aber auch die betreuenden Elternteile, fragen sich derzeit, ob der Umgang mit minderjährigen Kindern auf Grundlage der geltenden Allgemeinverfügungen durch die jeweiligen Staatsministerien der Bundesländer bzgl. der Ausgangsbeschränkungen aufgrund des Corona-Virus in dem jeweiligen Bundesland eingeschränkt oder gar ausgesetzt werden können. Für Sachsen gilt die Bekanntmachung der Allgemeinverfügung über den Vollzug des Infektionsschutzgesetzes anlässlich der Corona-Pandemie des Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt vom 22.03.2020, Az. 15-5422/10 (hier).

Umgangsrecht – Allgemeinverfügung Ausgangsbeschränkung

Zur Ausübung des Umgangsrechts gibt die Allgemeinverfügung für Sachsen keinen konkreten Hinweis. Umgang wird nicht als Ausnahme von der Ausgangsbeschränkung benannt, wohingegen das Sorgerecht und die Begleitung Minderjähriger explizit aufgeführt werden. Ob hierunter auch das Umgangsrecht fällt, bleibt offen.

Generell herrscht eine große Unsicherheit hinsichtlich der Auslegung der Ausgangsbeschränkung.

Ziel der geltenden Allgemeinverfügungen ist es, den Kontakt zwischen den Personen derart zu beschränken, dass so wenig wie möglich Kontakt zu anderen Personen unterhalten wird, um die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen. Hiervon betroffen sind ausnahmslos Kinder und Erwachsene.

Auch wenn es sich um keine Ausgangssperre in diesem Sinne handelt, ist in Sachsen das Verlassen der häuslichen Unterkunft ohne triftigen Grund untersagt. Nachfolgend werden in der Verfügung triftige Gründe benannt, die jedoch im Hinblick auf die Wortwahl „insbesondere“ nicht abschließend sind. Neben den benannten Gründen, sind demnach auch andere Gründe in Betracht zu ziehen die häusliche Unterkunft zu verlassen, die im Falle einer Kontrolle glaubhaft gemacht werden müssen. Nun würde natürlich jeder Umgangsberechtigte davon ausgehen, dass das Umgangsrecht ein triftiger Grund ist. Ist es doch im Grundgesetz verankert und nur in Ausnahmefällen durch gerichtliche Entscheidung einzuschränken.

Ob das Unterlassen der expliziten Benennung des Umgangsrechts nun ein redaktioneller Fehler ist, oder ob das Umgangsrecht selbstredend fortbesteht und deswegen keine Aufzählung unter den triftigen Gründen notwendig war, erschließt sich aus der Allgemeinverfügung nicht.

Grund für Umgangsaussetzung?

Vielfach erreichen uns nun Mitteilungen von Umgangsberechtigten, dass der Umgang von den betreuenden Elternteilen eingeschränkt oder ausgesetzt wird. Die betreuenden Elternteile berufen sich diesbezüglich auf die geltenden Allgemeinverfügungen.

Fraglich ist, ob diese als Ermächtigungsgrundlagen für die Einschränkung/Aussetzung des Umgangsrechts dienen. Immerhin ist die Ausgestaltung der Allgemeinverfügungen Ländersache, mithin herrschen nicht in jedem Bundesland die gleichen Voraussetzungen, was möglicherweise zu einer Ungleichbehandlung auch in Bezug auf das Umgangsrecht führen würde. Für das Umgangsrecht gelten allgemein in Deutschland die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). 

Das Umgangsrecht ist Teil des im Grundgesetz verankerten Elternrechts und nur in absoluten Ausnahmefällen zu beschränken. Jedes Kind und jeder nicht betreuende Elternteil hat zunächst einen gesetzlichen Anspruch auf Umgang. Der Umgang wird jedoch im konkreten Einzelfall zum Wohle des Kindes geregelt, notfalls mit Hilfe des Gerichts. Keinesfalls kann ein Elternteil allein den Umgang bestimmen, auch nicht der betreuende Elternteil. Das gemeinsame Sorgerecht ist keine Voraussetzung für den Umgang.

Beruft sich nun ein Elternteil auf die Allgemeinverfügung und gibt deswegen das gemeinsame Kind nicht an den anderen Elternteil heraus, handelt der betreuende Elternteil möglicherweise rechtswidrig. Besteht eine geltende Umgangsregelung, ob gerichtlich oder aussergerichtlich, darf der betreuende Elternteil den Umgang keinesfalls eigenmächtig aussetzen oder beschränken, es sei denn der Umgang widerspricht dem Kindeswohl. Dies ist jedoch immer im Einzelfall zu prüfen.

In der heutigen Zeit, in der Patchwork-Familien keine Seltenheit darstellen, finden tagtäglich von einem zum anderen Wohnort der Eltern Betreuungswechsel statt. Häufig müssen die Umgangsberechtigten ihre Kinder beim betreuenden Elternteil abholen und auch wieder zurückbringen. Dies kann innerorts, aber auch mit großen räumlichen Distanzen (auch in andere Bundesländer) geschehen. Zum Teil sind Eltern auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Im Grunde befinden sich in diesen Fällen sehr viele Personen tagtäglich außerhalb ihrer häuslichen Unterkunft ohne einen (als triftig benannten) Grund wie Arbeit, Arztbesuch oder Einkaufen. Dies würde der Kontaktbeschränkung in den Allgemeinverfügungen im eigentlichen Sinne im Grunde widersprechen. Unabhängig vom Schutz der einzelnen Kinder, können Kinder ebenso Überträger des Corona-Virus sein, weswegen auch Kinder das häusliche Unterkunft grundsätzlich nicht verlassen dürfen. 

Bei einigen Familien wird es jedoch bereits aufgrund der aktuellen Einschränkung im öffentlich Fern- und Nahverkehr bereits zu einer Aussetzung des Umgangs kommen, unabhängig, ob die Allgemeinverfügung nun dahingehend auszulegen ist, dass der Umgang eingeschränkt werde kann oder nicht. Andere werden sich wiederum aufgrund von Kurzarbeit, Verlust des Arbeitsplatzes oder fehlende Aufträge als Selbständige den Umgang schlichtweg nicht mehr leisten können. Es bedarf sodann der Kooperation beider Elternteile, den Kontakt notfalls auf andere Weise sicherzustellen, wie Telefonaten, Videochat etc.

Aktuell liegen jedoch keine konkreten Bestimmungen vor, dass das Umgangsrecht unter Berufung auf die Allgemeinverfügungen der Länder ausgesetzt werden soll. 

Dennoch könne möglicherweise zumindest im Einzelfall der Umgang ausgesetzt oder beschränkt werden, wenn eine konkrete Gefährdung des Kindeswohl besteht. Wann diese jedoch vorliegt, ist im Einzelfall zu überprüfen. Eine bloße Angst vor einer Infektion des Kindes mit dem Corona-Virus genügt hingegen nicht.

Besonderheiten sind wahrscheinlich hingegen bei begleiteten Umgängen und Umgangspflegschaften zu beachten, aufgrund der Teilnahme eines Dritten beim Umgang.

Entscheidend wird sein, wie die Lage zu bewerten ist, wenn die Ausgangsbeschränkungen verlängert oder sogar noch verschärft werden.

Gerne beraten wir Sie in Ihrem konkreten Einzelfall.